Allgemein bekannt ist die Dreiheit des Menschen: Körper, Seele, Geist. Die von Helena Blavatsky später gelehrte siebenfältige Konstitution oder Siebenheit des Menschen wurde bei der Gründung der Theosophischen Gesellschaft 1875 zunächst nur ihren Schülern (wie William Quan Judge oder Henry Steel Olcott) intern gelehrt.
In ihrem ersten Werk Isis Unveiled knüpfte sie daher an die bekannte Dreiheit an, weil die es ihr von ihren Meistern noch nicht erlaubt war, diese esoterische Lehre bekannt zu machen. [1] Die Siebenheit wurde erst vier Jahre später, 1881, bekannt gegeben in der Artikelreihe Fragments of Occult Truth von A. O. Hume, basierend auf den Lehren von Blavatsky und den Meister-Briefen an Hume und Sinnett.
Zu beachten ist, daß die Siebenheit der Theosophie nicht die Dreiheit des Christentums ersetzt, sondern sie differenziert, bzw. redifferenziert, weil die christliche Dreiheit eine vereinfachte, exoterische Zusammenziehung ist.
Von Frau Karin Waltl, Vorsitzende der Theosophischen Gesellschaft (Adyar) in Österreich, gibt es eine sehr gute Darstellung:

Karin Waltl: Die Verwirklichung der Buddhi-Seele und das Bodhisattva-Ideal in der Theosophie
Beim schwierigen Manas-Prinizip bestehen manchmal Mißverständnisse. Es ist zweigeteilt und trennt den sterblichen vom unsterblichen Menschen: Höheres und niederes Manas. Manas ist das Denkprinzip, von Sanskrit man, derMensch und der Denker (im Gegensatz zum Tier).
Die Trennlinie, das Antaskarana (skt., auch Anthakrana), die Regenbogenbrücke, die hebräische Jakobsleiter, Himmelsleiter, der christliche Jakobsweg, das andere Ufer bei den ägyptischen Eingeweihten, ist nicht so zu verstehen, daß man das Denken aufgeben soll, daß das Denken an sich böse wäre, der Mensch kann in seiner evolutionären Entwicklung kein Prinzip überspringen, das Denken wird auf dem Einweihungspfad vom Kama-Prinzip (Kama Rupa wird es genau genommen erst nach dem Tod), dem Wunschdenken, der Emotionalität, gelöst und durch die Strahlen des Buddhi-Prinzips geläutert oder erleuchtet. Es geht also nicht um Denken vs. Nichtdenken, wie manche Theosophen glauben, sondern um richtiges und falsched Denken.
Was bei uns im Westen in Schule, Beruf, Universität ausgebildet wird, ist Kama-Manas, also das niedere Manas. Der Verstand ist noch sinnlich und sterblich. Universitätswissen ist sinnlich und keine esoterische Einweihung. Die Theosophie fängt prinzipiell dort an, wo die Schulweisheit (Exoterik) aufhört. Dennoch brauchen wir sie als Stufe und können sie nicht weglassen, denn die Natur arbeitet sehr langsam und macht keine großen Sprünge. Der Wunsch nach Soforterlösung ist eine Illusion. Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Irgendwann macht sich jeder einmal auf den Weg. Entweder in diesem Leben, oder im nächsten, oder erst in 100 Leben, aber irgendwann muß man anfangen, weil die Rückverbindung zur göttlichen Quelle im Göttlichen Plan so vorgesehen ist.
Der bekannte deutsche Theosoph Dr. Franz Hartmann, der Helena Blavatsky gegen die Verleumdungen gefälschter Mahatma-Briefe verteidigt hatte, prägte den Merksatz: “Theosophie ist die Selbsterkenntnis des Göttlichen”. Das ist die einprägsamere Fassung von Hegels Erkennntnis, daß die Entwicklung des Menschen der Gang Gottes durch die Geschichte zu sich selbst (dem Ding an und für sich) sei, die Erweiterung von Kants Aufklärung ist, mit der der Mensch sich aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit (dem Ding an sich) zu befreien habe.
Wenn marxistische Kritiker der Frankfurter Schule die Theosophie als Atavismus und antiaufklärerisch ansehen, so können Theosophen das Kompliment nur zurückgeben, denn die Theosophie beseitigt nicht die Aufklärung und Vernunft, sondern führt sie fort, differenziert und erweitert sie in Richtung des 6. Sinns.
Anmerkungen
[1] Ebenso wenig, konnte sie anfangs die Lehre der Reinkarnation veröffentlichen, hat diese aber ebenfalls ihren Schülern gelehrt hat, diese später bezeugten. Damit ist, nebenbei bemerkt, auch manche Spekulation hinfällig, daß Blavatsky die esoterischen Lehren anfangs nicht kannte und erst in Indien kennengelernt haben sollte, sozusagen “training on the job”. Die übliche akademische Zeiteinteilung von Autoren in eine Früh-, Mittel- und Spätphase wird bei einer esoterischen Ausbildung wie der von Blavatsky hinfällig, denn natürlich kam sie 1874 fertig ausgebildet in New York City an und war kein Lehrling mehr.
Zudem muß ihr Konzept beachtet werden: Isis Unveiled war nach 12 Jahrhunderten esoterischer Finsternis im Westen der erste okkulte Versuch, und das Ziel war nicht, die esoterischen Lehren zu erklären (wie im zweiten Werk, dem Hauptwerk, The Secret Doctrine (1888), dt.: Die Geheimlehre (2022), sondern vor allem zu sagen, was die Lehre nicht ist und etwa der Reinkarnations-Lehre der Spiritisten wie Allen Kardec zu widersprechen, die von sofortigen Reinkarnationen (Wiedereinfleischungen) ohne Aufenthalt im Devachan (Himmel) ausgingen.
