Es hat Paracelsus, so lange er lebte, und auch nach seinem Tode nie an böswilligen Verleumdern, wie auch an solchen, die diese Verleumdungen gläubig nachbeteten, gefehlt. Wer sich über das Niveau der Gemeinheit erhebt, der zieht die Blicke der Gemeinen auf sich und macht sich zur Zielscheibe ihres Geschreies.
Paracelsus in seiner “Defensio” berührt selber die Punkte, welche ihm zum Vorwurfe gemacht wurden:
Vor allem wurde ihm der Vorwurf gemacht, dass er nicht innerhalb der althergebrachten Schablone der damaligen medicinischen Weisheit bliebe, sondern es wage, selbst zu denken, und seine eigene Erfahrung höher zu stellen, als die von Galen, Hippokrates und Avicienna aufgestellten Theorien.
Ähnliche Anschuldigungen werden auch heutzutage gegen andere vorgebracht. Jede neue Entdeckung muss sich erst ihren Weg durch die Reihen der Orthodoxen erkämpfen; wer aber hinter die Coulissen der Bühne gesehen hat, auf welcher die Anhänger alter Systeme ihr Spiel, die Welt zu betrügen, betreiben, der weiss auch, dass der Grund ihrer Opposition in der Regel nicht die Anhänglichkeit an ein grosses Prinzip, sondern einfach der Eigennutz ist.
Moderne Beispiele liessen sich in grosser Menge anführen; doch sind solche jedem Leser bekannt. Wohl giebt es heutzutage unter den Ärzten viele edeldenkende Menschen, aber auch viele andere, welche die Stellung, welche sie sich errungen haben, weniger zum Wohle der Menschheit gebrauchen, als sie vielmehr nur ein Mittel, sich Reichtum und Ansehen zu erwerben, missbrauchen.
Zur Zeit des Parcelsus mag die Sache noch viel ärger gewesen sein, als jetzt. Paracelsus sagt über seine Zeitgenossen, dass er mit ihnen wegen ihres Eigennutzes, ihrer Gewissenlosigkeit und Roheit keine Gemeinschaft haben mochte, und dass man sich schämen müsse, unter diese “heillosen Lotterbuben” gezählt zu werden.
In alten Zeiten wurden die Ärzte aus den Weisen, Philosophen und Priestern gewählt. Der Mensch, dem man sein Heiligstes, seine Gesundheit anvertraute, musste selbst heilig, liebevoll und weise sein. Die “Ärzte” des Mittelalters bestanden zum grossen Teile aus Personen, die überhaupt zu nichts tauglich waren; aus davongelaufenen Schulmeistern, Schreibern u. dgl., welche, da sie des Lesens kundig waren, ein paar Bücher gelesen und wohl auch missverstanden hatten, und nun wie die Pest unter den Kranken wüteten. Da wurden die dümmsten Menschen zu “Doktoren” gemacht, wenn sie nur ihre 15 Dukaten dafür bezahlen konnten, und ihre ganze Kunst bestand in der Prahlerei.
Dass ein Mensch von besserer Einsicht, wie Paracelsus, diese Zustände nicht ruhig und gleichgültig ansehen konnte, davon lag die Ursache in seinem Temperament. Dass aber durch die Schelten die Sache nicht besser gemacht wurde, ist auch natürlich, da seine Gegner hierdurch kein besseres Verständnis erlangten, sondern nur erbittert wurden.
Es ist aber bekannt, dass, wenn jemand den Gelehrtendünkel angreift, so heisst es, man verachte die Wissenschaft; huldigt man dem Pfaffentum nicht, so heisst es, man sei ein Feind der Religion.
So erging es auch Paracelsus. Er lud auf sich den Hass der Dummheit und Habsucht, die im Gewande der Wissenschaft paradierten, und erntete, was er sä’te. Was aber die wahre Wissenschaft der Medizin ist, welche er lehrte, das werden wir in einem der folgenden Kapitel betrachten.
Ferner wurde ihm der Vorwurf gemacht, dass er neue Krankheiten entdeckt, denselben neue Namen gegeben, und neue Mittel zu deren Heilung gefunden hätte. Dies würde heutzutage allerdings nicht als Vorwurf, sondern als Anerkennung dienen; aber der Vorwurf lag darin, dass diese Neuheiten nicht mit dem Althergebrachten übereinstimmten und deshalb verwerflich seien; eine Auffassung, welche uns heutzutage nur mehr komisch erschreckt und keiner Widerlegung bedarf.
Wohl aber würde man auch heute noch bei vielen Ärzten auf Widerspruch stossen, wenn man ihnen, so wie Paracelsus es that, empfehlen würde, dass sie zuerst das Reich Gottes suchen sollen, und dass ihnen dann gegeben werde “w a s i h n e n n o t h s e i”; denn es giebt auch heute vielleicht noch ebenso viele wie damals, die nicht wissen, dass das “Reich Gottes” das Reich der höheren Erkenntnis und Erleuchtung ist, und dass, wer den nötigen Grund von Weisheit besitzt, sich selber zu helfen weiss.”
– Franz Hartmann, M.D.: Grundriss der Lehren des Theophrastus Paracelsus von Hohenheim. Vom religionswissenschaftlichen Standpunkte betrachtet. Leipzig, Wilhelm Friedrich 1898 (Erstausgabe).
Foto: Franz Hartmann, wegen des teaxanischen Huts, vermutlich während seines Wohnsitzes in Texas um 1873.
Verdient machte er sich als Augenzeuge und investigativer Forscher, als er die Betrugsvorwürfe gegen Helena Blavatsky in zwei Berichten widerlegen konnte, die christliche Missionare in Indien verbreiteten über gefälschte Briefe. In Wirklichkeit wurde der Betrug von den Verleumdern selbst begangen zur Abwehr gegen die Aufklärung, wie sie es auch mit Paracelsus machten:
1. Report of Observations Made During a Nine Months’ Stay at the Head-Quarters of the Theosophical Society (1884)
2. Report of the Result of an Investigation into the Charges against Madame Blavatsky (1885)
Litt selbst unter einem Pocken-Impfschaden und erkannte den Irrtum des Impfens. Wird im “Impf-Friedhof” von 1912 zitiert.
Kurz-Biographie von Boris de Zirkoff in “Blavatsky Collected Writings”, Vol. 8, pp. 439-57:
https://www.universofilosofico.org/wp-content/uploads/2018/02/de-zirkoff-on-franz-hartmann.pdf